Verwaltungsratsarbeit: inspirierend, kurzweilig und anregend erklärt

Ferien liegen in der Luft. Erholung pur heisst für die einen ein Aktivitätenprogramm der nicht alltäglichen Art und für die anderen Sonne, Liegestuhl und ein gutes Buch. Für all jene, welche sich mit Fragestellungen zur Arbeit im Verwaltungsrat auseinandersetzen, kann ich ein kurzweilig geschriebenes Sachbuch empfehlen, welches ich Anfang Jahr von der Autorin bekommen habe. Dieses Buch hat mich in vielerlei Hinsicht inspiriert, bei manchem bestätigt und vereinzelt auch herausgefordert und dazu angeregt meine eigenen Standpunkte zu überdenken. Meiner Meinung nach kann so ein Buch nur jemand mit viel eigener Erfahrung in der Verwaltungsratsarbeit und Einblick in den inneren Zirkel von etablierten Verwaltungsräten schreiben.

Doch die Autorin Gabriele M. Paltzer-Lang hat bisher noch nie in einem Verwaltungsrat mitgewirkt, sondern mit 40 Persönlichkeiten gesprochen, welche über diese fundierte Erfahrung verfügen. Ich bin sehr beeindruckt, was sie aus diesen umfassenden Gesprächen herausgearbeitet hat. Dies ist eine der besten Lektüren, welche sich mit der Arbeit in einem Schweizer VR beschäftigt, die ich in den letzten Monaten gelesen habe.

Dass dabei die Autorin ein spezielles Augenmerk auf das Zusammenspiel von Frauen und Männern im Verwaltungsrat gelegt hat, bereichert diese informative und zugleich unterhaltsame Lektüre mit vielen zusätzlichen Perspektiven. Um es vorweg zu nehmen, Frau Paltzer-Lang kommt zum Schluss, dass es kein Argument gibt eine Frau vor einem Mann zu wählen, denn es sind die jeweiligen Fähigkeiten, die den Unterschied einer Person ausmachen und nicht das Geschlecht. Sie lehnt jede Quotenregelung ab, denn es sei schlussendlich diskriminierend, wenn Qualität der Quote unterliegt. Da stimme ich ihr voll zu.

In meinem Beruf spüre ich jeden Tag, dass das Interesse an einer Tätigkeit im VR-Gremium enorm steigt. Viele Führungskräfte machen sich Gedanken, ob sie ihr Wissen auch in einem Verwaltungsrat einbringen könnten, was eine wertvolle Ergänzung zum Berufsalltag sein kann. Der Verwaltungsrat ist heute ein Gremium, welches den Aufgaben der obersten Unternehmensführung in einer sehr qualifizierten Art nachkommt und die involvierten Personen sind alle nach einem ausgewogenen, auf die Bedürfnisse des Unternehmens, abgestimmten Kompetenzprofils ausgesucht. Dass dabei der Wert der Diversität eine starke Erweiterung zu den sorgfältig zusammengestellten Kompetenzen ist, stellt wohl auch kein zeitgemäss geführter Verwaltungsrat mehr in Frage. 

«Diversität wird vom Individuum geprägt und nicht vom Geschlecht» ist eine Aussage von Gabriele M. Paltzer-Lang. Und trotzdem hat sie einen Teil ihres unterhaltsam zu lesenden Buches den Frauen gewidmet, um sie zu couragieren. Dies freut mich natürlich auch, weil ich mir selber oft wünsche, die Frauen wären etwas mutiger. Aktuell helfe ich gerade mit, einen Verwaltungsrat zusammen zu stellen für einen Konzernbereich, der sich abspaltet. Dabei spüre ich die Zurückhaltung der Frauen beim Prüfen von Chancen auf einem Thema, bei dem noch vieles undefiniert ist. Wo die Männer neugierig und interessiert hinhören, sind es die Frauen, welche zurückhaltend und reserviert reagieren. Die Autorin zitiert aus «The Female Vision» wie Frauen, ihren Sensor für potenzielle Risiken und ganzheitliche Beurteilung von Themen in ein Gremium einbringen, der ihnen oft ermöglicht, einen Sachverhalt oder eine Herausforderung in einem grösseren Zusammenhang und die daraus entstehenden  Abhängigkeiten zu gewichten, während den Männern die Laser-Sicht mit der sie einen Sachverhalt sehr fokussiert beurteilen angeboren ist. Und es ist genau die Kombination von beidem, welche zu den guten Ergebnissen im Gremium beiträgt. Dies unterstreicht auch Eftychia Fischer, Präsidentin der Waadtländer Kantonalbank im Interview mit Nicole Rütti von der NZZ «Ein VR benötigt Denkdiversität». «Frauen denken oft anders, aber es braucht auch andere Nationalitäten, andere Studiengänge und Karrieren – nicht nur Ökonomen». Es bringe einen Mehrwert, wenn Personen von aussen ins Unternehmen kämen und kritische Fragen stellten, hält die Präsidentin der BCV fest, welche für mich ein «role model» für eine diverse VR Wahl ist.

Gabriele M. Paltzer-Lang hat ein Buch geschrieben, das zum Thema Arbeit im VR nicht abwechslungsreicher sein könnte. Ihre Einschätzungen und Ratschläge wirken nie belehrend, sondern inspirierend, packend und anregend. Ein Business-Titel, den ich als Sommer-Lektüre bestens empfehlen kann.

Wenn der Sommer dann wirklich kommt, dann wünsche ich sonnige Tage, die Freiraum für inspirierende Gedanken geben,
Guido Schilling

Das Buch ist erhältlich bei Orell Füssli. Hier der Direktlink.

Guido Schilling, Founding Partner und Herausgeber schillingreport
T direct +41 44 366 63 81,  guido.schilling@guidoschilling.ch