Mehr als die Hälfte der Frauen, die in den hiesigen Geschäftsleitungen sitzen, haben keinen Schweizer Pass, wie unsere jüngste Auswertung der über 100 grössten Arbeitgeber der Schweiz zeigt. Bei den SMI-Firmen sind es sogar 91 Prozent. Der hohe Ausländeranteil ist für hiesige Grosskonzerne zwar nicht aussergewöhnlich. Auch bei den männlichen Geschäftsleitungsmitgliedern haben immerhin 45 Prozent keinen Schweizer Pass.
Die Untervertretung von Schweizerinnen in unseren Geschäftsleitungen ist gleichwohl frappant. Sie hängt meiner Ansicht nach mit dem weiterhin breit verankerten klassischen Rollenbild zusammen. In Ländern wie Frankreich, Grossbritannien oder in den USA ist das Selbstverständnis über die Vereinbarkeit von Karriere und Familie breiter verankert als hierzulande. Deshalb ist es kein Zufall, dass Firmen vor allem auch Amerikanerinnen, Französinnen oder Britinnen in ihre Geschäftsleitungen berufen. In diesen Ländern ist es vielfach üblich, dass Frauen nach der Geburt im Vollzeitpensum weiterarbeiten. In Frankreich sorgen zugleich ausgebaute ausserfamiliäre Betreuungs- und Tagesstrukturen dafür, dass dies möglich ist. In der Schweiz besteht diesbezüglich nach wie vor Aufholbedarf. Ein entsprechender Kulturwandel dauert Generationen.
Im Gegenzug profitieren hiesige Konzerne von fortschrittlichen Rollenbildern im Ausland und dem veränderten Selbstverständnis von Frauen: Es ermöglicht ihnen, top ausgebildete internationale Spitzenkräfte zu rekrutieren. Allerdings sollten sich die Firmen vermehrt auch auf das unausgeschöpfte Potenzial an weiblichen Führungskräften in der Schweiz fokussieren. Viel zu lange hat man diese Ressource sträflich vernachlässigt. Unternehmen haben jüngst mit Blick auf die Geschlechterdurchmischung grosse Fortschritte erzielt. Der Mangel an Fachkräften wird die Integration und den beruflichen Aufstieg von engagierten Frauen weiter beschleunigen. Auch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt sowie der Vormarsch von Teilzeitarbeit und Home-Office dürften die positive Entwicklung begünstigen. Es ist an der Zeit, die inländische Talent-Pipeline weiter zu stärken, damit in Zukunft vermehrt auch Frauen mit Schweizer Pass in den Geschäftsleitungen vertreten sind.