Die Frauen starten durch!

Als hätte der Frauenstreik den politischen Durchmarsch der Frauen eingeläutet: Nach den Wahlen sitzt fast ein Drittel mehr Frauen im Nationalrat. Neben den Grünen sind die Frauen die grossen Wahlsiegerinnen. In den Führungsgremien der Unternehmen steigt ihr Anteil zwar nur langsam, doch der Wahlerfolg macht Mut.

«Die Wahlen bieten den Unternehmen die Gelegenheit, ihr Auswahlverfahren für Führungspositionen zu überdenken, um Frauen erfolgreicher zu entwickeln.»

Guido Schilling

Die eidgenössischen Wahlen haben für einen Erdrutschsieg der Grünen Partei gesorgt. Zusammen mit den Grünliberalen legte das ökologische Lager über neun Prozentpunkte an Wählerstimmen zu. Die Klimathematik wirkte dabei wie ein Katalysator für den Wahlentscheid: Laut der SRG-Wahltagsbefragung stuften 25 Prozent der Wählenden das Thema als relevant ein. Weitere 14 Prozent zählen es zu den drei wichtigsten Herausforderungen. Gleichzeitig haben die Wahlen den Frauenanteil im Nationalrat von 32 auf 42 Prozent katapultiert. Neu sitzen 84 statt 64 Frauen in der grossen Kammer. Dieser Rekordanstieg ist zum einen auf den grösseren Anteil und die besseren Listenplatzierungen der Frauen zurückzuführen und zum anderen auf das Wahlverhalten der Frauen: 42 Prozent haben bewusst möglichst viele Frauen gewählt.

«Es ist wichtig, Frauen eine Plattform zu geben und sie sichtbar zu machen.»

Dass die Schweizer Politik gleichzeitig grüner und weiblicher geworden ist, überrascht nicht. Neben den Klimastreiks hat der Frauenstreik am 14. Juni 2019 den Wahlkampf geprägt und das Thema Gleichstellung bei den Frauen akzentuiert: 70 Prozent der befragten Frauen erachten eine ausgeglichene Vertretung der Geschlechter im Parlament als wichtig. Bei den Männern sind es nur 52 Prozent. Das Anliegen ist vor allem im Mitte-Links-Lager populär, dem auch GLP und Grüne angehören. Derweil bewegt die Klimathematik Frauen stärker als Männer: Für 28 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer war das Thema relevant für ihren Wahlentscheid.

Die Frauen starten durch!

Der substanzielle Anteil Frauen im Nationalrat ist erfreulich, schliesslich setzt sich über die Hälfte der Wählerschaft aus Frauen zusammen. Im Vergleich zum Parlament sind Frauen in den Führungsgremien der Schweizer Unternehmen deutlich untervertreten. Laut dem Sample der Gender-Diversity-Pipeline des schillingreport 2019 finden sich im privaten Sektor 10 Prozent Frauen in den Geschäftsleitungen, 16 Prozent im Topmanagement und 24 Prozent im Middle Management, während in der operativen Gesamtbelegschaft 38 Prozent Frauen vertreten sind. Der Frauenanteil nimmt also mit höherer Hierarchiestufe ab. Die Gründe dafür sind unter anderem in der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu suchen. In der Politik hingegen tragen Teilzeitarbeit und flexible Arbeitsmodelle dazu bei, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen.

«Die Geschäftsleitungen und Vorgesetzten auf allen Stufen sollten qualifizierte Frauen ermuntern, sich aktiv für Vakanzen auf einer höheren Stufe zu bewerben.»

Ein weiterer Grund für die unterschiedlich hohen Frauenanteile in Parlament und Führungsgremien von Unternehmen liegt im Auswahlverfahren: Im Vergleich zu Wahlen sind Beförderungen nicht demokratisch. In den Unternehmen entscheiden eine Hand voll Personen darüber, wer in eine Führungsposition befördert wird und wer nicht. Diese Entscheidungsträger sind überwiegend Männer. Und da Menschen dazu neigen, ihr eigenes Abbild zu bevorzugen, befördern Männer eher Männer. Dieses Phänomen wirkt sich negativ auf den Frauenanteil in den Führungsgremien aus.

Hier können Unternehmen von den Parteien lernen, die an den jüngsten Wahlen so viele Frauen prominent auf ihren Listen nominiert haben wie nie zuvor. Da Frauen sich und ihre Leistungen oft selbstkritischer einschätzen, ist es wichtig, ihnen eine Plattform zu geben und sie sichtbar zu machen. Die Geschäftsleitungen und Vorgesetzten auf allen Stufen sollten qualifizierte Frauen ermuntern, sich aktiv für Vakanzen auf einer höheren Stufe zu bewerben oder für die Mitarbeit in einem unternehmensweiten Projekt, damit sie sichtbarer werden. Unternehmen sollten den Selektionsprozess so gestalten, dass Kandidatinnen ihre Leistungen und Kompetenzen tatsächlich zeigen können. Zudem sollten Entscheidungsträger verstärkt das Potenzial gewichten, statt nur die Erfahrung bewerten.

«Den Frauen darf der Wahlerfolg Mut machen, sich in den Unternehmen selbstbewusst für Beförderungen zu empfehlen.»

Unternehmen sollten sich über die Führungsqualitäten im Klaren sein, nach denen sie suchen: Ihren Sinn für Nachhaltigkeit bringen Frauen in die Führung ein. Dieses Thema wird nicht nur in der Politik, sondern auch in den Unternehmen immer wichtiger. Mit dem gesellschaftlichen Wandel verändern sich die Ansprüche und das Verhalten von Shareholdern und Konsumenten. Vergessen wir nicht, dass Frauen einen Grossteil der Entscheidungen beim Einkauf treffen. Indem sie Frauen verstärkt in ihre Führungsgremien wählen, tragen Unternehmen dieser Entwicklung Rechnung. Die Wahlen bieten den Unternehmen die Gelegenheit, ihr Auswahlverfahren für Führungspositionen zu überdenken, um Frauen erfolgreicher zu entwickeln. Und den Frauen darf der Wahlerfolg Mut machen, sich in den Unternehmen selbstbewusst für Beförderungen zu empfehlen.